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Ein Schwanzlurch als Wien-Botschafter

Während die Welt derzeit nur ein Thema zu kennen scheint – Corona inklusive Auswirkungen auf die Menschen und die Wirtschaft – geht die Forschung auf anderen Gebieten (fast) ungebrochen weiter. Ein prominentes Beispiel, das von Wien aus in die Welt strahlt, ist die Forschung am Axolotl. Diese spezielle, ursprünglich aus Mexiko stammende Amphibienart kann sich besser regenerieren als jedes andere uns bekannte Landwirbeltier. Deshalb ist der Schwanzlurch bereits seit dem 19. Jahrhundert ein heiß begehrtes Forschungsobjekt.

Selbstheilungskräfte

Dass es Axolotl und die Forschung dazu in Wien gibt, liegt an Elly Tanaka. Die renommierte, aus den USA stammende Wissenschaftlerin hatte den Axolotl mit im Gepäck, als sie 2016 am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien andockte. Den Boden dafür hat nicht zuletzt die Wiener Wirtschaftsagentur aufbereitet. Am Vienna Biocenter, wo das IMP wie zahlreiche andere Institute seinen Sitz hat, wird der Mechanismus untersucht, wie Axolotl verlorene Körperteile wie beispielsweise Gliedmaßen ersetzen oder beschädigtes Rückenmark selbst wieder heilen. Tanaka konnte etliche dieser Regenerationsmechanismen entschlüsseln.

Tanaka leitet eine von 16 Gruppen am IMP, das als eine der besten Adressen für molekularbiologische Grundlagenforschung in Europa gilt. Entsprechend hoch ist die Zahl der vom Europäischen Forschungsrat (ERC) finanzierten Projekte, die als Gradmesser für wissenschaftliche Exzellenz gelten. Wenig verwunderlich konnte sich Tanaka kurz nach ihrer Übersiedlung aus Dresden, wo sie zuvor an der dortigen Technischen Universität die Axolotl-Forschung vorantrieb, 2017 vom ERC finanzielle Unterstützung für ihr Axolotl-Projekt sichern.

Tausende Axolotl

Am IMP werden etwa 1.000 geschlechtsreife Tiere in Aquarien gehalten, mit Jungtieren sind es etwa zwei- bis dreitausend. Für Forschungszwecke stehen allerdings nicht alle Tiere zur Verfügung; viele werden gehalten, um Zuchtlinien zu bewahren. Sequenzierung und die Beschreibung komplexer Genome gehören zu den Kernkompetenzen des Labors von Elly Tanaka. Die Arbeit der Gruppe geht aber weit darüber hinaus. Sie umfasst Entwicklungsbiologie genauso wie Stammzellforschung, und das mit unterschiedlichen Methoden. Die Regeneration ganzer Organe oder Gliedmaßen, die Axolotl so interessant machen für die Forschung, sei ein komplexer Vorgang, sagt Tanaka. Wie die Nachbildung funktioniert, ist die zentrale Forschungsfrage von Tanaka und ihrem Team. An einem bestimmten Gen dürfte es jedenfalls nicht liegen.

Ob Erkenntnisse aus der Forschung an Axolotl einmal auf Menschen übertragbar sein werden – und in welcher Form – sei völlig offen. Die Hoffnung bestehe zwar. "Aber", sagt Tanaka, "bei der Grundlagenforschung ist es generell so: Ein praktischer Nutzen ist nicht das Ziel, es geht vielmehr darum, fundamentale Mechanismen aufzuklären. Umgekehrt ist tiefgreifende Innovation aber irgendwo immer auf Erkenntnisse der Grundlagenforschung zurückzuführen."

Gute Forschungsbedingungen in Wien

Warum sie gerade in Wien forscht und nicht woanders? Ausschlaggebend für den Wechsel nach Wien seien neben der attraktiven und weltoffenen Stadt vor allem die guten Forschungsbedingungen gewesen, die das IMP bot. "Erstklassige Infrastruktur, unterstützende Fachleute in Serviceabteilungen sowie die große und stimulierende Forschungsgemeinschaft am Vienna Biocenter mit inzwischen 1.850 Mitarbeitern sowie 90 Forschungsgruppen in vier Instituten", sagt Tanaka.

Verzögerung durch Corona

Corona ist aber auch am rund 20-köpfigen Team rund um Tanaka nicht spurlos vorübergegangen. "Die Forschung am IMP wurde ab Mitte März für einen Zeitraum von etwa einem Monat reduziert. Nur eine begrenzte Anzahl von Personen durfte die Labors betreten, um sicherzustellen, dass die wesentlichen Arbeiten fortgesetzt werden", sagt Tanaka im Interview. Andere Aktivitäten, etwa Besprechungen, seien auf den Bildschirm verlegt worden. Und man habe mehr Zeit gehabt, um an Daten für wissenschaftliche Veröffentlichungen zu arbeiten. "Alles in allem war der Lockdown für uns Wissenschaftler – wie für die meisten anderen auch – natürlich eine Herausforderung und störend. Das Wichtigste ist, dass alle im Labor bis jetzt gesund geblieben sind. Und die Arbeit am Institut fühlt sich seit Mitte April wieder fast normal an", sagt Tanaka.

Auch, wenn seit Mitte April wieder halbwegs normale Zustände herrschen, ist es noch immer nicht so wie vor Corona. Tanaka: "Wir halten Abstand und tragen Masken, aber das Labor ist voll in Betrieb. Alle Kollegen haben die Möglichkeit, sich vor Ort auf SARS-CoV-2 testen zu lassen mit der Empfehlung, einmal pro Woche so einen Test zu machen. Das hat uns sehr geholfen, uns am Arbeitsplatz sicher zu fühlen."

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